Was aktuell falsch in der Politik läuft.

07.10.2022

Jugend an die Macht, war mal ein grotesker Witz. Zu Anfang war er noch nicht aufgeladen
mit kitschig-klebriger Deutschpop-Utopie, sondern diente als Symbol einer total unmöglichen Revolte: Die Jugend würde es durch bösartige Intelligenz und Unvernunft schaffen, die verhassten Institutionen des Staates, Kirche, Militär und Familie, so richtig in die Scheiße zu reiten. Natürlich hat das in Wirklichkeit nicht stattgefunden! In Wirklichkeit ist das genaue Gegenteil passiert. Das System zwingt die Jugend dazu, ohnmächtig zuzusehen, wie es die Welt zerstört, die einmal ihre sein sollte. Es gilt als ausgemacht, dass eine bevorstehende Wahl daran nichts ändert, wie könnte sie auch. Diejenigen, die aktuell als Vertreter*innen der Jugend gelten könnten, stellen eine verschwindende Minderheit der Wahlberechtigten dar.

Das System verbaut der Minderheit die Zukunft. Klimakatastrophale Wetterereignisse, galoppierendes Artensterben und explodierende Wohnungslosigkeit sind schon jetzt sichtbar. Während die Armutsquote von unter 18-Jährigen im Jahr 2010 noch bei 18 Prozent lag, ist sie nun auf 21 Prozent gestiegen. Das sind rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche. Insbesondere für Familien, die von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen sind, führte besonders die Pandemie zu Einkommensverlusten, finanziellem Stress, Unsicherheit, Sorgen und Ängsten. Es ist beschämend und erschütternd, wie sich Kinder und Jugendarmut in diesem reichen Land verschärft und verhärtet. Das Ausmaß und die Entwicklung der Armut von Jugendlichen sind nicht nur besorgniserregend, sondern skandalös und ein Ausdruck gesellschaftspolitischen Versagens.

Währenddessen sind die gesellschaftlichen Erwartungen an Jugendliche hoch und mit den steigenden gesellschaftlichen Umbrüchen ist es für Jugendliche noch schwerer geworden, diese Erwartungen zu erfüllen. Nach den ersten Schulschließungen während der Corona Pandemie zum Beispiel, haben die meisten Verantwortlichen zwar verstanden, wie wichtig Präsenzunterricht und das soziale Miteinander im Klassenzimmer sind. Dennoch haben sie es weitgehend versäumt, möglichst sichere Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Vor allem hat es nie eine echte Lehrerfortbildungsoffensive im digitalen Unterrichten
gegeben. Den Preis zahlen alle Schüler*Innen – vor allem aber diejenigen, die zu Hause
kaum oder gar nicht gefördert werden können. Die in Deutschland ohnehin stark
ausgeprägte Bildungsungerechtigkeit wird sich weiter verschärfen. Besonders Jugendliche
aus unteren Schichten werden von der Gesellschaft abgeschrieben. Durch die ungleichen
Bildungschancen haben sie schlechtere Aussichten auf einen guten Schulabschluss und
damit auch auf einen Ausbildungsplatz oder Studium.

Die Probleme reichen jedoch weit über die Corona-Zeit hinaus. Der Grundfehler ist, dass in unserem Land wenig zuerst aus der Perspektive der Jugend gedacht wird. Die neue Ampelregierung hat angekündigt, in der Politik für Jugendliche grundlegend etwas ändern zu wollen. Bis heute ist davon wenig zu sehen. Und tatsächlich scheint ein starrsinniger Protest wie dieser hier, der politisch sinnvollste Weg, in einem System, in welchem Mediale Eliten doch sowieso mit erbarmungslosem Unverständnis auf uns Jugendliche dreschen.
Räumlichkeiten für die Jugend würden zwar nicht die großen, von der Politik verursachten
Probleme lösen, doch würde zum Beispiel ein Soziales Jugendzentrum Platz für eigene
Standpunkte und Entscheidungen schaffen, in einer Welt, die sich ständig verändert. Wir
brauchen Orte, in welchen wir uns unabhängig entwickeln und ausleben können.
Zeit für entschlossenen Protest.